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Definition von Folter

Man spricht von Folter, wenn eine Person in amtlicher Eigenschaft einer anderen Person vorsätzlich und zu einem spezifischen Zweck – zum Beispiel um ihr ein Geständnis abzuringen, Informationen zu erhalten oder sie zu bestrafen – grosse Schmerzen oder Leiden zufügt.

Eigenschaften

Von Folter wird gesprochen, wenn die folgenden vier Eigenschaften erfüllt sind:

  1. Verursacher: Die Person, die foltert, ist ein Mitglied einer Behörde, oder sie handelt mit dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis einer Behörde.
    → Nach dem Völkerrecht gelten eigentlich Folterhandlungen, die von Privatpersonen begangen werden, nicht als Folter.
  2. Schwere: Die Schmerzen oder Leiden, die dem Opfer zugefügt werden, erreichen einen hohen Schweregrad. Man spricht von grossem oder schwerem Leiden.
    → Die Schwere des Leidens hängt von mehreren Kriterien ab, wie zum Beispiel der Wiederholung oder der Dauer der Tat, der objektiven Schwere des Übergriffs und der subjektiven Empfindung des Opfers. Oft werden mehrere Formen der Folter zusammen angewendet. So kann ein Gefangener in Einzelhaft gehalten, am Schlaf gehindert und von seinen Wärtern geschlagen werden.
  3. Vorsatz: Die Person, die foltert, fügt das Leiden vorsätzlich zu.
    → Der Folterer muss das Wissen und den Willen haben, seinem Opfer grosses Leiden zuzufügen.
  4. Absicht: Die Leiden werden zugefügt, um eines oder mehrere bestimmte Ziele zu erreichen.
    → Es kann darum gehen, Auskünfte oder ein Geständnis zu erlangen, eine mutmassliche Tat zu bestrafen, einzuschüchtern, unter Druck zu setzen, oder es können diskriminierende Motive sein. Diese Liste ist nicht abschliessend. Diese Ziele haben eines gemeinsam: den Willen, die Persönlichkeit des Opfers zu brechen, indem seine körperliche und/oder psychische Integrität schwer beeinträchtigt wird.

Abweichende Definitionen

Gewisse Länder haben sich für eine breitere Definition von Folter entschieden, die auch auf Täter:innen abzielt, welche nicht in offizieller Funktion handeln. So bestraft Frankreich zum Beispiel «Folter und barbarische Handlungen», die von Privatpersonen begangen werden. Dies ist auch in Italien der Fall. Das Land versucht so, Gewalthandlungen von Mitgliedern des organisierten Verbrechens zu ahnden.

Formen der Folter

Es gibt unzählige Formen von Folter. Diese hängen ab von der Technologie, der Kultur und den Ressourcen, die der Folterer zur Verfügung hat. Generell werden die folgenden Kategorien unterschieden:

Physische Folter

Die physische Folter besteht darin, dem Opfer grosse Schmerzen zuzufügen. Das können Schläge, sexueller Missbrauch, Elektroschocks, Verbrennungen, Ersticken, Aufhängen, Immobilisierung oder wissenschaftliche Experimente sein.

Psychische Folter

Die Person, die foltert, führt absichtlich einen Zustand von intensivem Unwohlsein, Stress und Verzweiflung beim Opfer herbei, ohne dessen körperliche Unversehrtheit direkt zu beeinträchtigen. Darunter fallen Schlafentzug, Drohungen, Scheinhinrichtungen, längerfristige Isolation, Erniedrigung, Entzug von Sinneseindrücken, zwangsweise Verabreichung psychotroper Substanzen, Verunglimpfung religiöser Werte oder sexuelle Erniedrigung

Physische und psychische Folter sind untrennbar miteinander verknüpft. Das Zufügen von Folter, sei sie physisch oder psychisch, führt unweigerlich zu einem Gefühl von schwerem Unwohlsein, Stress und Verzweiflung. Langfristig erreichen die psychologischen Folgen von physischer und psychischer Folter ein vergleichbares Ausmass.

«Weisse» oder «saubere» Folter

Manchmal bezeichnet man Formen der Folter, die keine sichtbaren Spuren hinterlassen, als «weisse Folter». Oft handelt es sich um Methoden von psychischer Folter, wie Schlafentzug oder Scheinhinrichtungen. In Wirklichkeit nutzen Befürworter von Folter diese Bezeichnung vor allem als Vorwand, um die Schwere ihrer Taten zu verharmlosen. Die psychischen Foltermethoden verursachen psychische Leiden und Folgen, die mindestens ebenso schwerwiegend sind wie bei physischer Folter

Kurz, es gibt keine «saubere», «sanfte», «weisse», «milde» oder «leichte» Folter. Jede Folterhandlung stellt einen besonders schweren Übergriff auf die Würde des Opfers dar, die darauf hinausläuft, ihm sein Menschsein abzusprechen.

Andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CIDTP)

CIDTP ist die Abkürzung vom Englischen «cruel, inhuman or degrading treatment or punishment».

Das Völkerrecht unterscheidet zwischen Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CIDTP). CIDTP sind auch Misshandlungen, die von einem Angehörigen einer Behörde oder mit dessen ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verübt werden. Die CIDTP unterscheiden sich jedoch nach den folgenden Kriterien von Folter:

  • Die CIDTP erreichen nicht den Schweregrad, um das Leiden als Folter zu qualifizieren.
    In diese Kategorie fällt typischerweise Machtmissbrauch, der die Grundfreiheiten des Opfers beeinträchtigt. Es handelt sich beispielsweise um Polizeiinterventionen aufgrund von Racial Profiling, zu lange Arrestdauer oder die Verweigerung von Kontakten zwischen einem Häftling und seiner Familie. Achtung: verschiedene CIDTP, die kumuliert oder wiederholt zugefügt werden, können einen ausreichenden Schweregrad erreichen, um die gesamten Misshandlungen als Folter zu bezeichnen.
  • Bei den CIDTP ist es nicht erforderlich, dass die Misshandlungen vorsätzlich zugefügt werden oder ein bestimmtes Ziel verfolgen.
    Die Definition von Folter beinhaltet die Absicht, Leiden zu einem spezifischen Zweck zuzufügen. Personen, die foltern, wollen zum Beispiel Informationen erhalten, Druck ausüben oder bestrafen. Im Fall der CIDTP sind die Kriterien des Vorsatzes und der Absicht jedoch nicht erforderlich. CIDTP entstehen manchmal aus einem institutionellen Missstand. Hinter gewissen strukturellen Problemen steckt nicht unbedingt eine besondere Absicht, dem Opfer zu schaden. Überbelegung von Gefängnissen, unangemessene Pflege und fehlende Plätze in therapeutischen Institutionen geschehen nicht immer willentlich. Dies entbindet jedoch die Behörden nicht von jeder Verantwortung. Im Gegenteil, sie haben die Pflicht, alles zu unternehmen, damit solche Missstände nicht vorkommen.

Todesstrafe und Folter

In den letzten Jahren hat sich allmählich ein neues Rechtsverständnis der Todesstrafe herausgebildet. Nach diesem Ansatz ist die Todesstrafe unter allen Umständen rechtswidrig, da sie im besten Fall einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe und im schlimmsten Fall der Folter gleichkommt (siehe Zusammenhang zwischen Todesstrafe und Folter).

Folter heute

Folter wird weltweit als besonders schwere Menschenrechtsverletzung geächtet. Trotzdem wird sie weiterhin in zahlreichen Ländern praktiziert.

Folterer führen oft dieselben Vorwände ins Feld, um deren Anwendung zu rechtfertigen. Für manche handelt es sich um ein «notwendiges Übel», für andere um die «verlässlichste» Art, an Informationen zu kommen. In autoritären Regimen zielt Folter oft darauf ab, Stimmen von Dissidenten oder Minderheiten zum Schweigen zu bringen.

Warum die 4 Hauptargumente der Folterbefürworter irreführend sind

Im Folgenden eine Übersicht über die irreführenden Begründungen, falschen Vorstellungen und tatsächlichen Motive der Befürworter der Folter.

«Eine tickende Zeitbombe droht zu explodieren»

«Angenommen, Sie halten eine Person fest, die weiss, wo und wann eine Bombe explodieren wird. Diese Explosion wird zahlreiche unschuldige Menschen das Leben kosten. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, Folter anzuwenden, um die Person zu einer Aussage zu zwingen.»

→ FALSCH: Das «Szenario der tickenden Zeitbombe» ist extrem vereinfachend und trägt der Komplexität realer Situationen nicht Rechnung.

Bis heute ist das Szenario der tickenden Zeitbombe eines der Argumente, das Befürworter der Folter am vehementesten verfechten. Es stellt Folter als ein «geringeres Übel» dar, das zur Rettung vieler Menschenleben vertretbar sei. Aufgrund seines angeblich rationalen Charakters verwenden viele Staaten dieses Argument regelmässig, um Folter im Rahmen von bewaffneten Einsätzen, Spionageabwehr oder Terrorismusbekämpfung zu rechtfertigen.

Das Problem bei diesem Szenario ist, dass es auf einer beachtlichen Anzahl von Hypothesen beruht, wie zum Beispiel dem Ort und der Zeit des Anschlags oder dem Wissensstand der verhörten Person. Doch diese Annahmen werden dem Gegenüber zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich erwähnt. Dadurch werden sie implizit zu unumstösslichen Fakten.

Die Umstände eines tatsächlichen Anschlags sind jedoch alles andere als offensichtlich. Das Szenario beruht beispielsweise mindestens auf den folgenden neun Vermutungen:

  1. Ein konkreter Anschlag ist geplant.
  2. Der Anschlag wird unverzüglich stattfinden.
  3. Er zielt auf einen grossen Personenkreis ab.
  4. Die verhaftete Person verfügt über Informationen, die es erlauben, den Anschlag zu verhindern.
  5. Durch das Foltern dieser Person werden Informationen gewonnen, um den Anschlag zu verhindern.
  6. Es gibt keine anderen Mittel als Folter, um die Informationen zur Verhinderung des Anschlags zu gewinnen.
  7. Kein anderes Vorgehen würde es ermöglichen, die durch diesen Anschlag verursachten Schäden zu verhindern.
  8. Die Motivation des Folterers ist es einzig, Informationen zu erhalten.
  9. Es handelt sich um ein isoliertes Szenario.

Damit dieses Szenario realistisch ist, muss jede dieser Annahmen zweifelsfrei belegt werden. Eine so hohe Gewissheit ist im Rahmen einer gewöhnlichen Untersuchung praktisch unmöglich zu erreichen. Das Szenario der tickenden Zeitbombe ist daher eine Fiktion. Es ist übermässig vereinfachend und irreführend.

«Folter ist manchmal notwendig, um nützliche Informationen zu erhalten»

«Folter ist manchmal nötig, um nützliche Auskünfte zu erhalten.»

→ FALSCH! Unter Folter gelieferte Informationen sind wenig verlässlich.

Folter im Rahmen eines Verhörs hat beim Opfer zur Folge, dass es unbedingt Informationen liefern will, die in den Augen der folternden Person hinreichend relevant sind. Damit will es einzig dem Leiden ein Ende setzen. Das Opfer kann also irgendeine Aussage machen, damit der Schmerz aufhört, egal ob die Information wahr ist oder nicht. Es kann sich einer Straftat für schuldig bekennen im Wissen, dass dies nicht stimmt. Es kann imaginäre Komplizen verraten oder Informationen von A bis Z erfinden, wenn diese nur für die Ermittlungen nützlich erscheinen.

Folter verändert auch die Denkfähigkeit des Opfers. Der Schmerz und das zugefügte Leid beeinträchtigen das Gedächtnis, die Stimmung und die Wahrnehmung der verhörten Person.

Eine verlässliche Verhörmethode: die Méndez-Prinzipien

Die Anwendung von Zwang bei Einvernahmen ist eine Methode, deren Wirksamkeit heute weitgehend widerlegt ist. Informationen lassen sich am effektivsten beschaffen, wenn eine kooperative und vertrauensvolle Beziehung zur befragten Person aufgebaut wird. Dies hindert die Ermittler jedoch nicht daran, List und Tücke einzusetzen, um an Informationen zu gelangen, solange die Grenzen des Strafprozessrechts eingehalten werden.

Die Prinzipien zu effektiven Vernehmungen für Ermittlungen und Informationssammlungen (oder Méndez-Prinzipien, nach dem früheren Sonderberichterstatter Juan Méndez) legen Richtlinien fest, die wirksame Einvernahmen bei Ermittlungen ermöglichen. Experten in militärischen und geheimdienstlichen Verhörtechniken haben die Prinzipien 2021 ausgearbeitet. Sie bieten eine konkrete Alternative zu den auf Zwang basierten Verhörmethoden. Die Verhörresultate sind besser. Die Méndez-Prinzipien ermöglichen die volle Achtung der Menschenrechte und ein gestärktes Vertrauen der Bürger:innen in ihre Institutionen.

«Die Körperstrafe ist eine legitime und wirksame strafrechtliche Sanktion»

«Durch Körperstrafen kann der bei einer Straftat begangene Schaden vergolten werden, indem er am Körper des Täters nachvollzogen wird.»

→ FALSCH: Ein Justizsystem, das foltert, macht sich unglaubwürdig und legitimiert die Anwendung von Gewalt.

Nach Ansicht einiger repressiver Regime reichen Haftstrafen nicht aus, um das Unrecht, das den Opfern von Straftaten zugefügt wurde, angemessen zu kompensieren. Diese Regime wollen den Tätern körperliches Leid zufügen, damit diese den Schaden zu spüren bekommen, den sie angerichtet haben. Diese Sanktionen nennt man «gerichtliche Körperstrafen». Sie sollen Leid wiedergutmachen und von erneuten Straftaten abschrecken. Mit anderen Worten, es ist die Anwendung des Talionsgesetzes. Dieses verlangt, dass der Täter eine körperliche Züchtigung erfährt, die angeblich im Verhältnis zum zugefügten Schaden steht.

Gerichtliche Körperstrafen gehören nicht zu einem unabhängigen Rechtssystem. Sie sind eher eine Form der privaten Rache. Ausserdem sind sie in zweifacher Hinsicht ineffektiv. Zum einen untergraben sie die Glaubwürdigkeit des Justizsystems, das Straftaten neutral und unparteiisch ahnden soll. Zum anderen legitimieren sie die Anwendung von Gewalt in der Bevölkerung. Ausserdem gibt es keinerlei Studien, die das abschreckende Potenzial dieser Sanktionen belegen.

Die Anwendung gerichtlicher Körperstrafen in der Welt

Aus Sicht des Völkerrechts stellen gerichtliche Körperstrafen Folter dar. Sie sind daher absolut verboten. In vielen Ländern werden sie jedoch immer noch angewandt. So wird die Auspeitschung in Afghanistan, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Eritrea, Sudan, Singapur und Jemen praktiziert. Im Sudan, in Katar, in Somalia und in Afghanistan greifen die Behörden sogar auf Amputationen zurück, um Kriminelle zu bestrafen. Auch körperliche Züchtigung ist als Disziplinarstrafe in den Gefängnissen vieler Länder weit verbreitet.

«Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtfertigt Folter»

«Der Einsatz von Folter dient der Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit, indem Oppositionelle in die Schranken gewiesen werden.»

→ Falsch! Die Folter schürt nur Rache und Aufruhr in der Bevölkerung.

Instrument des Terrors

Einige Staaten behaupten manchmal, Folter sei das einzige Mittel, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. In Wirklichkeit ist Folter meist Teil einer umfassenden Strategie, die darauf abzielt, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Staat versucht dann, den Willen des Opfers zu brechen, das er als Bedrohung für seine Macht wahrnimmt. Es ist nicht ungewöhnlich, dass autoritäre Regime diese Strategie mit besonderer Skrupellosigkeit planen und umsetzen. Solche Staaten schrecken nicht davor zurück, neben Folter auch andere schwere Verstösse gegen das Völkerrecht zu begehen. Sie verüben beispielsweise aussergerichtliche Hinrichtungen oder lassen Menschen verschwinden.

Botschaft uneingeschränkter Macht an die Bevölkerung

Theoretisch wird Folter vor allem an Personen verübt, die politischen Widerstandsbewegungen oder ethnischen, religiösen oder sexuellen Minderheiten angehören oder verdächtigt werden, diesen anzugehören. Langfristig verliert die Identität der gefolterten Person jedoch an Bedeutung. Wichtiger ist es, eine Botschaft der uneingeschränkten Macht an die gesamte Bevölkerung zu senden.

Diskriminierende, fanatische oder nationalistische Vorwände

Sehr häufig berufen sich die Behörden auf eine rassistische, fundamentalistische oder nationalistische Ideologie, um den Einsatz von Folter zu rechtfertigen. Die Opfer hätten nicht die richtige Denkweise, beteten nicht zum selben Gott, hätten nicht die richtige Hautfarbe oder unterwürfen sich nicht allen Anweisungen der Unterdrückung. Gründe für die Behörden, die Opfer als minderwertige, kaum menschliche Wesen zu betrachten, denen gegenüber alles erlaubt ist.

Schweigen erhält die Ungerechtigkeit aufrecht

In der Regel geben Machthaber die Anwendung von Folter nie zu. Eine der wenigen Ausnahmen ist die gerichtliche Körperstrafe, die dann unter das staatliche Rechtsinstrumentarium fällt. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle bestreiten die Behörden kategorisch jede Anwendung von Folter. Andernfalls könnten sie vor internationalen Gremien zur Rechenschaft gezogen und allenfalls mit Sanktionen belegt werden.

Folter ist von Geheimhaltung umgeben. Diese Geheimhaltung soll nicht nur die Illegalität der Folter verschleiern, sondern auch die Vorstellung verbreiten, der Staat gehe straflos aus. In Folterregimen werden Anzeigen gegen Folterer häufig nicht bearbeitet. Wer es wagt, die Stimme zu erheben und Missstände anzuprangern, muss mit Vergeltungsmassnahmen rechnen. Diese Straflosigkeit im Zusammenhang mit Folter, von der jeder weiss, über die aber niemand zu sprechen wagt, würde die Menschen dazu bringen, zu schweigen und sich dem Machtapparat gegenüber gefügig zu zeigen, so die Logik. Vor allem aber hat diese Straflosigkeit den schädlichen Effekt, dass die Folterer in der Vorstellung bestärkt werden, dass es keine Grenzen für ihre Taten gibt.

Die wahren Folgen von Folter

In der Realität zeigt die Geschichte immer wieder: Folter ist für ein Regime kein zuverlässiges Mittel, um seine Vorherrschaft zu sichern. Im Gegenteil, aufgrund ihres inhärent inakzeptablen Charakters weckt Folter Hass und schürt die Revolte in der Bevölkerung. Regime, die auf Folter zurückgreifen, erhalten nicht die passive Loyalität ihrer Bürger, sondern entfremden sie.

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Profil der Folternden

Staatsbedienstete

Die meisten Folterer sind Staatsbedienstete: Armeeangehörige, Polizisten, Geheimdienstmitarbeitende und Gefängnispersonal. Sie sind Beamte und Angestellte, die Staatsgewalt ausüben und Verdächtige oder Verurteilte festnehmen oder inhaftieren dürfen. Folterer können auch paramilitärischen Gruppen angehören, die der Regierung nahestehen.

Sadismus und Unterwerfung unter Autoritätspersonen

Folterer haben kein einheitliches psychologisches Profil. Sie können nicht einfach auf sadistische Individuen reduziert werden, auch wenn dieses Persönlichkeitsmerkmal bei einigen unbestreitbar ist. Die Unterwerfung unter Autoritäten, seien es Experten oder Vorgesetzte, spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Neigung einer Person, Folter zu begehen.

In den 1960er Jahren zeigten die Experimente von Stanley Milgram: Fast zwei Drittel aller normalen Menschen waren bereit, einer als ungehorsam bezeichneten Person schmerzhafte Elektroschocks zuzufügen, wenn jemand, der als Experte oder Vorgesetzter galt, ihnen den Befehl dazu gab. Dies wird als Autoritätsverzerrung bezeichnet. Der Folterer glaubt, dass die Person, die den Befehl gibt, für das zugefügte Leid verantwortlich sein wird. Er wendet sich allmählich von seinen persönlichen Gefühlen (Mitgefühl, Empathie, Mitleid) ab. So fällt es ihm leichter, die von ihm erwartete Aufgabe zu erfüllen.

Indoktrination

Neben der Neigung zu Sadismus und Respekt vor Autoritäten kann auch Indoktrination die Tat mehr oder weniger vereinfachen. Wer foltert, folgt in der Regel einer Weltanschauung, die das Opfer als niederes Wesen, als «Parasit» ansieht, der weniger wert ist als der Mensch. Er muss beseitigt werden, um das Überleben der Gesellschaft zu sichern. Diese Sichtweise wird über einen längeren Zeitraum hinweg durch Hassreden aufgebaut. Sie richten sich gegen ein politisches Lager, eine ethnische oder religiöse Gruppe, oder gegen ein Land, dem das Opfer angehört. Anstatt Schuldgefühle und Mitgefühl für das Opfer zu entwickeln, erachtet die folternde Person ihre Handlungen als notwendig für das Überleben ihrer ideologischen Überzeugungen.

Straflosigkeit und Kollegialität

Straffreiheit beim Begehen von Folterhandlungen erleichtert die Legitimität von Folterern. Die Behörden, die den Folterbefehl ausstellen, ziehen sie nicht zur Verantwortung, sondern schützen sie vor strafrechtlichen Sanktionen. Zeugen werden zum Schweigen gebracht. Der Zugang zu Archiven ist verboten. Strafverfolgungen sind selten und richten sich bestenfalls gegen Mitarbeiter am unteren Ende der Hierarchie. Auch unter den Folterern wird ein Klima der Kollegialität geschaffen. Niemand verrät sein Gegenüber oder beschmutzt die Ehre der eigenen Leute.

Manchmal erlässt der Staat Ausnahmegesetze. Er ruft den Ausnahmezustand aus, schränkt die bürgerlichen Freiheiten ein und erweitert die Macht der Armee, der Polizei und der Geheimdienste. Schliesslich kann er auch die Definition von Folter selbst ändern, damit die Gesellschaft und die folternden Personen die Taten eher tolerieren. Es ist dann die Rede von «verschärften» oder «harten» Verhörmethoden. Oft wird auch die Idee verbreitet, dass es sich nicht um Folter handelt, wenn die zugefügten Schmerzen keine körperlichen Spuren hinterlassen.

Streitkräfte: Gewöhnung an Folter

Wenn sie zu den Streitkräften gehören, werden zukünftige Folterer manchmal methodisch für die Schwere ihrer Taten unempfindlich gemacht. Ein Initiationskurs gewöhnt sie an die Folter. Diese Ausbildungen teilen oft dieselben männlichen Werte, die es ermöglichen, das Mitgefühl und das Mitleid, das eine Person für ein Opfer empfinden würde, besser abzulegen. Die zukünftigen Folterer werden selber misshandelt und sogar gefoltert, damit die Anwendung von Folter für sie zur Normalität wird. Durch das Leid und die Zugehörigkeitsrituale sollen sie einen starken Korpsgeist entwickeln. Die betreffenden Streitkräfte sehen sich mit der Zeit mit einer besonderen Mission ausgestattet, die sie über das Gesetz stellt und eine starke Loyalität zu ihren Vorgesetzten schafft.

Der rechtliche Rahmen von Folter

Folter im Völkerrecht

Folter sowie andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sind völkerrechtlich verboten. Dabei handelt es sich um ein absolutes Verbot, das zu jeder Zeit und ohne Ausnahme gültig ist. Das Folterverbot gilt als eine zwingende Norm des Völkerrechts. Dies bedeutet, dass es von der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt ist als Regel, die keine Ausnahme duldet.

Internationale Übereinkommen

Die zentralen internationalen und regionalen Übereinkommen verbieten die Anwendung von Folter explizit.

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR)

Die AEMR wurde von der UNO-Generalversammlung m 10. Dezember 1948 verabschiedet.

Sie listet die Grundrechte jedes Menschen auf.

Die AEMR ist ein Kerntext in Sachen Menschenrechte. Obwohl sie wegen ihres historischen Charakters wegweisend ist, hat sie nur eine erklärende Bedeutung. Sie ist folglich nicht bindend für die Vertragsstaaten.

Artikel 5 der AEMR hält fest: «Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.»

Die vier Genfer Abkommen von 1949

Die vier Genfer Abkommen legen die wesentlichen Grenzen des Krieges fest. Sie schützen Personen, die nicht an Feindseligkeiten teilnehmen (Zivilpersonen, Angehörige des Gesundheitswesens oder humanitärer Organisationen) oder die nicht mehr an Kampfhandlungen beteiligt sind (Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige und Kriegsgefangene). Der gemeinsame Artikel 3 der vier Genfer Abkommen verlangt, dass alle Personen, die sich in den Händen des Feindes befinden, mit Menschlichkeit und ohne jede nachteilige Unterscheidung behandelt werden. Dieser Artikel verbietet ausdrücklich die Anwendung von Folter.

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II)

Der UNO-Pakt II wurde von der UNO-Generalversammlung am 16. Dezember 1966 angenommen. Die Schweiz hat ihn am 18. Juni i1992 ratifiziert.

Darin sind die klassischen Rechte und Freiheiten aufgeführt, die Einzelpersonen vor staatlichen Eingriffen schützen.

Artikel 7 besagt, dass «niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf». Er legt auch fest, dass es verboten ist, eine Person ohne ihre freie Zustimmung einem medizinischen oder wissenschaftlichen Experiment zu unterziehen.

Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT)

Das Übereinkommen gegen Folter, auch «Anti-Folter-Konvention» genannt, wurde von der UNO-Generalversammlung am 10. Dezember 1984 verabschiedet. Die Schweiz hat es am 2. Dezember 1986 ratifiziert.

In Artikel 1 wird Folter wie folgt definiert:
«Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck «Folter» jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich grosse körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmasslich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind.»

Die Anti-Folter-Konvention verlangt, dass die Vertragsstaaten konkrete Massnahmen treffen, um Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern.

Das Übereinkommen setzt den UNO-Ausschuss gegen Folter (CAT) ein. Dieser ist für die wirksame Umsetzung der Konvention zuständig und kontrolliert regelmässig, ob die Vertragsstaaten sie einhalten.

Fakultativprotokoll zur Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen (OPCAT)

Das OPCAT wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. Dezember 2002 verabschiedet. Die Schweiz hat es am 24. Oktober 2009 ratifiziert.

Es sieht ein doppeltes Kontrollsystem vor. Organe auf internationaler und nationaler Ebene führen Besuche in Einrichtungen des Freiheitsentzugs durch.

Es setzt den UN-Unterausschuss zur Verhütung von Folter (SPT) ein, der in jedem Vertragsstaat eine Kontrolle der Einrichtungen des Freiheitsentzugs durchführt.

Um die Umsetzung des Fakultativprotokolls in der Schweiz zu gewährleisten, setzte der Bundesrat 2010 die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) als Nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ein. Sie hat die Aufgabe, freiheitsentziehende Einrichtungen in der Schweiz zu besuchen und den zuständigen Behörden Berichte vorzulegen.

Regionale Übereinkommen

Die Anwendung von Folter wird auch durch die wichtigsten regionalen Übereinkommen in Sachen Menschenrechte verboten:

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

Der exakte Name ist Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie wurde am 4. November 1950 von den Mitgliedstaaten des Europarats unterzeichnet.

Sie beschreibt die Menschenrechte und Grundfreiheiten jedes Menschen innerhalb der Mitgliedstaaten des Europarats.

Die Ratifikation ist eine Voraussetzung für die Aufnahme in den Europarat.

Die EMRK setzt ein Ministerkomitee ein, das für die effektive Einhaltung der Konvention zuständig ist.

Die EMRK richtet den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein, der für die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung der Konvention durch die Mitgliedstaaten zuständig ist.

Artikel 3 hält fest: «Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.» Obwohl dies der kürzeste Artikel der Konvention ist, hat die Rechtsprechung des EGMR wiederholt bestätigt, dass es sich um eine absolut gültige Kernbestimmung der Konvention handelt, die keine Ausnahme zulässt.

Europäische Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe

Diese Konvention wurde von den Mitgliedstaaten des Europarats 1987 angenommen und trat in der Schweiz am 1. Februar 1989 in Kraft.

Sie setzt ein Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) ein, das vom Ministerkomitee ernannt wird. Das CPT ist berechtigt, Gefängnisse und Haftanstalten zu besuchen, die der Gerichtsbarkeit der Vertragsstaaten unterstehen.

Obwohl sie nicht dazu verpflichtet sind, veröffentlichen die meisten Staaten die Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die der Ausschuss nach seinen Besuchen erarbeitet.

Der Ausschuss hat die Schweiz bisher neunmal besucht: 1991, 1996, 2001, 2003, 2007, 2011, 2015, 2021 und 2024.

Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker

Diese auch Banjul-Charta genannte Konvention wurde im Juni 1981 von der Konferenz der Staaten der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) verabschiedet.

Sie legt die Menschenrechte und Grundfreiheiten jedes Menschen in den Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union (AU) fest.

Artikel 5 verbietet «körperliche oder seelische Folter» und «grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe».

In Artikel 30 ff. wird die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (CADHP) eingerichtet. Ihr Mandat besteht darin, Forschung zu menschenrechtsrelevanten Themen zu betreiben, Gesetzesentwürfe vorzubereiten, die auf Verletzungen der Charta reagieren könnten, die Bestimmungen der Charta auszulegen und auf Mitteilungen der Vertragsstaaten zu antworten.

Amerikanische Menschenrechtsskonvention

Diese Konvention wurde am 22. November 1969 verabschiedet.

Ihr Artikel 5 besagt, dass «niemand der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf».

In den Artikeln 34 ff. wird die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (IAKMR) eingesetzt. Ihr Mandat besteht darin, Untersuchungen durchzuführen, Empfehlungen auszusprechen und Mitteilungen der Vertragsstaaten über mögliche Verletzungen der Konvention zu bearbeiten.

Mit den Artikeln 52 ff. wird der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte eingerichtet. Sein Mandat besteht darin, Fälle zu behandeln, die nicht im Verfahren vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission geregelt werden konnten. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Urteile des Gerichtshofs zu respektieren.

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